Der „Riehlshof“ von Herlheim
Unser Verein kaufte im Februar 2009 das Haus „Herlindenstraße 32“ in Herlheim (Gemeinde Kolitzheim, Bayern), um es vor dem Verfall zu retten und für die Nachwelt zu erhalten.
Vorgeschichte:
An Weihnachten 2008 stürzte das Dach des Hauses Herlindenstraße 32 in Herlheim ein. Der einzige Bewohner wollte das Haus nach den Weihnachtsfeiertagen 2008 abreißen lassen.
Das Rähm (Längsbalken in historischen Dachkonstruktionen) war durchgemorscht, so dass zwei Sparren absackten und dabei Dachlatten und Ziegel herunterrissen. Bei der Dacheindeckung handelt es sich teils um s-förmige und teils um u-förmige Rinnenziegel. Die Ziegel sind alle mit Kalkmörtel verbunden.
Auf Wohnhäusern sind diese Arten von historischen Ziegeln in Franken ziemlich einzigartig.
Erwerb des Hofes
Nach wochenlangen Verhandlungen durch den Vereinsvorsitzenden Matthias Braun mit dem Hauseigentümer gelang eine Lösung, das Haus vor dem Verfall zu retten. Nach Begehung des Hauses durch die Untere Denkmalschutzbehörde des Landratsamtes Schweinfurt und mit Absprache aller Vereinsmitglieder wurde das Haus durch den Verein erworben.
Durch Vereinsbeschluss wurde der Kaufpreis durch Spenden der Mitglieder finanziert. Der eingetragene, rechtsfähige Verein besitzt eine vom Finanzamt anerkannte Gemeinnützigkeit wegen seines steuerlich privilegierten Zweckes der Denkmalpflege.
Noch vor Unterzeichnung des notariellen Vertrages nahm der Verein Kontakt mit der Gemeinde Kolitzheim auf, um diese über das Vorhaben zu informieren und in das Projekt mit einzubinden.
Am 11. Februar 2009 folgte Herr Prof. Dr. Bedal, der Leiter des Freilandmuseums Bad Windsheim und einer der besten Hausforscher Europas, einer Einladung und besichtigte den Riehlshof in Herlheim.
An dieser Stelle vielen Dank für die großzügige Unterstützung dieser Stellen, ohne die der Hof nicht zu erhalten gewesen wäre.
Der notarielle Kaufvertrag wurde am 4. Februar 2009 geschlossen.
Von links:
Walter Wiegand (Gemeinderat), Matthias Braun (Vors. IGBauwerkerhalt e.V.), Honorarprofessor Konrad Bedal (Leiter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim), Werner Stretz (2. Vors. IG Bauwerkerhalt e.V.), Longin Mößlein (Kreisheimatpfleger), Architekt Wolfgang Peichl (IG Bauwerkerhalt e.V.)
Foto: Norbert Finster
Das Haus im Februar 2009 – erste Sicherungsmaßnahmen
Das Dach ist teilweise eingestürzt, etliche Sparren sind morsch, an vielen Stellen dringt beständig Regen durch das löchrige Dach in das Innere des Hauses. Im Bereich des Stalles sieht es noch schlimmer aus. Die Bausubstanz ist akut gefährdet.
Mit kleinen Sofortmaßnahmen konnte das Haus zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor dem Verfall gerettet werden. Der Verein beschloss, mit einem Notdach das Haus vor Zerstörung zu schützen.
Es wurde ein Finanzierungsplan aufgestellt, bei dem sich die Gemeinde, das Landratsamt als Untere Denkmalschutzbehörde, der Bezirk Unterfranken und das Landesamt für Denkmalpflege beteiligten.
Im Juni 2009 wurde dann ein Notdach über das gesamte Haus inkl. Stall errichtet.
Der Riehlshof im Detail
Bei dem Hof Herlindenstraße 32 in Herlheim handelt es sich um einen Dreiseithof, der im Osten von einem Schweinestall und einer Remise, im Süden von der Scheune und im Westen vom Wohnhaus gebildet wird.
Wie aus dem Urkataster von 1833 zu entnehmen ist, standen hinter dem Haus noch zwei kleinere Gebäude. Dies könnte ein Backhaus und z.B. ein Bienenhaus gewesen sein.
Das Wohnhaus ist ein typisches unterfränkisches Wohnstallhaus mit einer für die Region außergewöhnlichen Größe von 11 x 20 Metern. Es ist einstöckig mit einem ausgebauten Dachgeschoss. Beide Giebel sind abgewalmt, was höchstwahrscheinlich im Rahmen der Barockisierung im 18. Jh. geschah.
Das Haus bestand ursprünglich komplett aus Nadelholz-Fachwerk, wobei das Erdgeschoss wohl im 19. Jh. mit Bruchsteinen neu aufgemauert wurde. In der westlichen Traufwand sind noch Hölzer aus der originalen Konstruktion vorhanden.
Das Bauholz stammt größtenteils nicht aus der Region, sondern wurde geflöst; wahrscheinlich aus dem Frankenwald. Die Flöserspuren sind noch an verschiedenen Stellen nachweisbar.
Das Haus ist ausgerichtet von Nord nach Süd und wird traufseitig erschlossen: der Wohnbereich durch die Haustüre, die Futterkammer und der Stall durch zweigeteilte einfache Brettertüren.
Gegliedert ist das Haus im Erdgeschoss in vier Zonen: den Wohnbereich, den dazu gehörigen Wirtschafts- und Lagerbereich, die Futterkammer zur Lagerung und Aufbereitung des Futters und den Stallbereich. Im Stall befand sich ausschließlich Vieh. Die Schweine waren in einem kleinen Stall untergebracht, der in den 1840´er Jahren angebaut wurde. Daran wiederum schließt sich der Abort an.
Man tritt von der Haustüre in den Flur, der Zugang ist für die „Waschküche“, dem Obergeschoss, der Küche, zum Keller und zur Stube. Von der Stube abgetrennt ist noch eine Kammer, das sog. Kabinett, die als Schlafkammer diente.
Das Obergeschoss besteht aus einem Flur, zwei Räumen am Straßengiebel und vier Kammern nach hinten über dem Wirtschaftsbereich.
Der Flur ist noch fachwerksichtig ohne barocke Überformung . Am jetzigen Treppenaufgang, der wohl nicht original ist, befindet sich die Jahreszahl 1608, eingefasst von einem Rahmen. Der Rahmen ist nur durch wenige Kalkanstriche überformt.
Die Geheimnisse
Der Riehlshof – Haus des Schultheißen?
Der Riehlshof birgt noch allerlei Geheimnisse, die vielleicht im Laufe der Sanierung gelüftet werden können.
So besteht bei den Räumen am Giebel eine auffällige Unterschiedlichkeit:
Der östliche Raum, in den man als erstes vom Flur aus durch eine aufwändige Tür gelangt, ist mit einer ockerfarbigen Fachwerkfassung versehen, die jetzt überputzt ist.
Der westliche Raum, der sich anschließt, ist hingegen ohne jegliche farbige Fassung. Er wirkt unberührt, denn er ist fachwerksichtig. Die Gefache sind nur mit einer Kalkschlämme überzogen.
Der östliche Raum, so drängt es sich geradezu auf, scheint eine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Aus archivalischen Quellen ist belegt, dass 1584 von Ebrach, das als Kloster Besitzungen neben Würzburg auch in Herlheim hatte, einer Teilung des Hofes zugestimmt wurde. Es handelte sich um zwei Brüder mit dem Namen „Riehl“, von denen einer Schultheiß war. Aus der besonderen Ausgestaltung des östlichen Raumes könnte man schließen, dass diese Stube im Haus vielleicht Amtsstube war.
Der Brunnen, der sich genau auf der jetzigen Grundstücksgrenze befindet und wohl noch aus der Zeit des 16. Jh. stammt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass es sich hier um den Riehlshof handelt.
Die Ritzzeichnung
Das Haus birgt auch noch ein anderes großes Rätsel: so existiert in einem Gefach eine in den Putz geritzte Zeichnung. In figürlicher Darstellung ist eine Person mit Pluderhose und Hut zu sehen. Ob diese Zeichnung auf den Beginn des 17. Jh. datiert werden kann, ist noch nicht geklärt.
Außergewöhnlich ist auch, dass diese Zeichnung in ein Gefach geritzt wurde, das noch nicht einmal im Sichtbereich der Besucher liegt. Nach den dem Verein vorliegenden Informationen ist in der Fachwelt eine derartige figürliche Darstellung in einem Gefach unbekannt.
Gerne können Sie sich mit dem Verein in Verbindung setzen, wenn Sie Informationen zu diesen Rätseln haben.